Tag der offenen Türe an der Kapellenkirche 

Der Turm der Kapellenkirche – ein Wahrzeichen der Stadt Rottweil – ist seit einiger Zeit fast vollständig eingerüstet. Nur noch das obere Oktogon, das als feingliedriger Abschluss Ende des 15. Jahrhunderts auf den bereits achteckigen Unterbau aufgesetzt wurde, schaut noch über der Einrüstung heraus, da es kein Bestandteil der anstehenden Maßnahme ist.

Doch was passiert eigentlich alles an dem eingerüsteten Kirchturm?

Der deutschlandweit veranstaltete Tag des offenen Denkmals am 11. September 2022 galt als willkommener Anlass, um über die anstehenden Maßnahmen zu informieren.

Dr. Nikolai Ziegler, Architekt und Projektleiter der Instandsetzung, sowie die Steinrestauratoren Albert Kieferle und Florian Wiener erläuterten den Besuchern:innen das Vorgehen an einem solch komplexen Projekt.

Grund zur Sorge hatten im Jahr 2007 herabstürzende Steinfragmente gegeben, die für den öffentlichen Bereich um die Kirche ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko darstellten. Im Rahmen von Voruntersuchungen zeigte sich, dass zahlreiche Werksteine an ihren Oberflächen Schäden aufwiesen und Ausbrüche in die Tiefe stürzten. Aufgrund des umfangreichen Schadensbildes waren tiefgreifende Untersuchungen unumgänglich. Da sich zur Instandsetzung der Schäden ohnehin Baumaßnahmen abzeichneten, wurde der Turm zur besseren Zugänglichkeit eingerüstet.

Im vergangenen Jahr wurde jeder Stein unter die Lupe genommen: Im Rahmen der Be- und Zustandskartierung der Fassaden wurden sowohl die Natursteine und Fugen, als auch die Skulpturen und das Ornamentwerk akribisch untersucht. Auf Grundlage der Erkenntnisse wurden erste Konzeptentwürfe erarbeitet und mit dem Landesamt für Denkmalpflege abgestimmt. Die visuelle Bestandserfassung der Steine erbrachte zudem neue Erkenntnisse zur Baugeschichte. Da der Turm maßgelblich aus Stuben- und Schilfsandstein errichtet wurde, während im Rahmen der zurückliegenden Instandsetzungen andere Steinvarietäten verwendet wurden, ergeben sich spannende Rückschlüsse zur Restaurierungsgeschichte des Bauwerks.

Beispielhaft die Kartierung des Steinbestands der Nordseite. Grün ist Schilfsandstein und gelb der Stubensandstein. Sonstige Farben stellen verschiedene Materialien späterer Reparaturen dar.

Die Bau- und Instandhaltungsgeschichte sowie maßgeblich das aktuelle Schadensausmaß bildeten die Grundlage für das Maßnahmenkonzept. Im Rahmen der Konzeptfindung wurde im Projektteam, bestehend aus Bauherrn, Architekt, Restauratoren, Vertretern der Landesdenkmalpflege aber auch der Diözese Rottenburg-Stuttgart diskutiert, wie und in welchem Umfang die historische Bausubstanz konserviert werden kann oder ob und wenn ja welche Steine ausgetauscht werden müssen. Soweit der Status quo.

Im Rahmen des ersten nun anstehenden ersten Bauabschnitts wird das erarbeitete und Maßnahmenkonzept ab 2023 umgesetzt.  

Am Tag des offenen Denkmals bestand die Möglichkeit, die Schäden aus unmittelbarer Nähe zu betrachten. Die Gerüstbauer der Firma Jetter waren vor Ort, um Interessierte mit dem Gerüstaufzug in eine Höhe von über 50 Meter zu fahren.

Auf Höhe des Umgangs zwischen den beiden Oktogonen konnten die Besucher die Fassaden inspizieren, den Wasserspeiern in die Augen sehen und auch weitreichenden Schadensbilder betrachten. Das Gerüst, mit seinen 25 Gerüstlagen, ermöglichte den Besuchern die direkte Zugänglichkeit zu allen Turmseiten. Mit Erklärung des Architekten entstand eine Vorstellung, wie die Arbeiten in so exponierter Höhe durchführt werden. Während das Gerüst den oberen Turmbereich vollständig umfasst, und so einen 360 Grad-Ausblick auf die Rottweiler Altstadt und die Umgebung ermöglichte, passt es sich im Bereich des Kirchenschiffs an dessen Satteldachform an. Im Bereich des Schafts ist der Turm ausschließlich von drei Seiten aus eingerüstet, da sich Richtung Osten das Schiff anschließt. Allerdings waren auch hier beeindruckende Ausblicke auf das mächtige Kirchendach und die Fassaden des Kirchenschiffes aus nächster Nähe möglich.